Märkte im East End

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Die Märkte im East End

Jeder Tourist kennt den Flohmarkt am Samstagvormittag auf Petticoat Lane. Ein
Stückchen weiter breitet sich jener von Brick Lane aus, der wesentlich uriger
und typischer ist. Er wird jeden Vormittag mitten im Bengali-Viertel abgehalten.
Am meisten ist hier natürlich Sonntags los, wie auch auf dem Blumenmarkt in
der Columbia Road, einem weiteren Schmuckstück des East End.

Das regste Treiben beginnt jedoch schon im Morgengrauen auf dem Obst- und Gemüsegroßmarkt
in Spitalfields, wo das Cockneywesen fröhliche Urständ feiert. Ebenfalls mitten
in Spitalfields befindet sich Hawksmoors Meisterwerk, die Christ Church an der
Fournier Street, einer ehemaligen Hugenottenstraße, die heute zum Mittelpunkt
des fast ausschließlich von der Kleiderkonfektion lebenden Bengali-Viertels
geworden ist.

Konfektion: Schneiderhandwerk und Kultur

Die verschiedenen Einwanderer-Generationen haben Spitalfields geprägt, ohne
die »Persönlichkeit« des alten Viertels zu beeinträchtigen. Als erste hatten
die Hugenotten im 18. Jahrhundert ihre Webereien in den Dachgeschossen der eigentümlichen
Häuser in der Elder Street und Fournier Street eingerichtet. Im 19. Jahrhundert
ließen sich dann verelendete Iren hier nieder. Zu jener Zeit machte Jack the
Ripper Whitechapel landes- und sogar weltweit berühmt. Heutzutage werden eigens
Ausflüge angeboten, um Schritt für Schritt, oder besser von Bluttat zu Bluttat,
der Spur des unheimlichen Helden zu folgen, der niemals identifiziert wurde
und dessen makabre Abenteuer von den Engländern hochgeschätzt werden, so dass
die Sensationspresse nach wie vor ausführliche Schilderungen seiner blutrünstigsten
Morde verfaßt. Es zählt übrigens zum guten Ton, derlei Schauergeschichten mit
einem angewiderten Gesichtsausdruck förmlich zu fressen.

In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts faßten jüdische Einwanderer Fuß in
Whitechapel. Auch sie hatten sich häufig auf die Textilherstellung verlegt.
Damals wurde das Viertel zu einer Hochburg der sozialistischen und anarchistischen
Agitation sowie von Philanthropen jedwelcher Couleur: über dem Eingang der Kirche
von Spitalfields künden Gedenktafeln von ihren Bemühungen, die Juden zum Christentum
zu bekehren.

Das Schneiderhandwerk gehört weiterhin zu den Hauptbeschäftigungen in Whitechapel,
doch ging es seither in die Hände der Inder und Pakistaner über, während die
Juden zum größten Teil in andere Stadtteile umgezogen sind. Sie hinterließen
hie und da ihre Aushängeschilder, Bäckereien mit frischen Begel (Brotringe)
im Sortiment, einige Synagogen und das bekannteste koschere Restaurant in London:
Blooms. Die Moschee am Ende der Fournier Street war früher eine Synagoge, die
in einer aufgegebenen Kirche eingerichtet wurde. Sie mag als treffliches Symbol
der Einwanderergeschichte dienen.