Sonntags in London

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Sonntags in London

»Ein Sonntag in London bei Regen: geschlossene Geschäfte, nahezu leere Straßen.
Der Eindruck eines immensen, wohlgesitteten Friedhofs. Die seltenen Fußgänger,
unter ihrem Schirm, in der Öde von Plätzen und Straßen, gleichen ängstlichen,
wiederkehrenden Schatten. Das ist fürchterlich« (Taine). Tatsächlich ist der
Sonntag in London, wie überall in England, ein seltsamer Tag, den man bei sich
zu Hause mit der Lektüre dicker Wochenzeitungen wie der Sunday Times oder dem
Observer verbringt. Jeder bleibt daheim, weil die Stadt unheimlich ist, und
die Stadt ist unheimlich, weil sie verlassen wurde ... Immerhin besteht die
Möglichkeit, in eines des Museen zu pilgern, die zu Londons größten Schätzen
gehören, oder in einen Pub um die Mittagszeit, bevor die Kunden zum traditionellen
Sunday Dinner heimgehen, zu dem nach altem Brauch Roast Pork (Schweinebraten)
oder Leg of Lamb (Lammkeule) mit der berühmten Pfefferminzsoße zählen. Als gutes
Mittel gegen aufkommende Depressionen empfiehlt sich ferner ein Nachmittagsspaziergang
in einem Park, um die Tiere, Pflanzen und vor allem Menschen zu betrachten,
die dort - häufig in Begleitung ihrer Hunde - alle möglichen Hobbys betreiben:
da sieht man prächtige Segelschiffmodelle auf dem Round Pond von Kensington
Gardens, gesteuert von alten Herren mit Anzug und Kapitänsmütze;

fliegende Drachen über dem Parliament Hill in Hampstead; Ruderboote auf der
Serpentine im Hyde Park. Und immer und überall trifft man Hunderte von Leuten,
die offensichtlich einer Herzensangelegenheit nachgehen: Tiere füttern, mit
Tieren reden, sich vergewissern, dass es den Tieren gut geht und es ihnen an
nichts mangelt.