Aufforderung zum Tanz

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Aufforderung zum Tanz

Die Rebetiko-Musik gehört zweifellos der Klangwelt des östlichen Mittelmeerbeckens
an; die Melodie jedes einzelnen Liedes stützt sich auf die Stufen einer Tonart,
die griechische Musiker dromos nennen (wörtlich »Weg« oder »Straße«). Jeder
dromos schafft um sich ein besonderes Gefühlsklima, begünstigt ganz bestimmte
Empfindungen, erleichtert den Ausdruck dieses oder jenen Seelenzustands. Letzterer
bestimmt auch das rhythmische Element, das sich zunächst nur als schwaches Pulsieren
erahnen läßt und nach einigen Takten zum richtigen Tanz auswächst, dem zeybekiko
oder dem khassapikos.

Der zeybekiko stammt ursprünglich aus der Türkei, woher ihn die kleinasiatischen
Griechen in ihre Heimat mitbrachten. Es handelt sich um einen einzeln zu tanzenden,
langsamen, feierlichen Männertanz, der zugleich levendia (Mut), Würde und Körperkontrolle
des Tänzers zum Ausdruck bringt. Der Tanz entwickelt sich bei halb geschlossenen
Augen, abgewinkelten Armen und langsamen Drehungen; von einem Moment zum anderen,
gänzlich unerwartet, vollführt der Tänzer eine brüske Bewegung von hoher Ausdruckskraft.

Den khassapikos tanzten früher einmal die Metzger (hasap auf Türkisch) von
Konstantinopel. Im Gegensatz zum zeybekiko finden sich hier zwei oder drei Tänzer
zusammen, die sich zum Zeichen der kameradschaftlichen Verbundenheit bei den
Schultern halten und jeden Schrittwechsel durch Händedruck oder Rufe mitteilen.

Und was den berühmten syrtaki betrifft, so ist der nur ein bedauernswerter
Abklatsch der zeybekiko und des khassapikos zugleich, hergestellt in Paris für
die Zwecke des Films Alexis Sorbas nach einer Melodie des Komponisten Mikis
Theodorakis. Die Erfinder verfälschten völlig die rebetischen Tänze, indem sie
ihnen akrobatische Pirouetten und lächerliche Hopser beigaben - Mätzchen, die
aber die Klientel bestimmter touristischer Nachtlokale gerade schätzt.

Wer keine Gelegenheit findet, einen Feiertag auf dem Land zu erleben, wird
seine Neugier auf griechische Tänze entweder im Verlauf einer Dorfhochzeit befriedigen
(auf Kreta erstrecken sich die Feierlichkeiten über zwei bis drei Tage) oder
beim Besuch einer der kleinen Tavernen in Athen, Piräus oder Thessaloniki. Sehr
oft bieten diese Lokale ihren Gästen herrliche Kostproben unverfälschter Musik,
und handelt es sich bei den Tänzern um Stammgäste, die sich zu ihrem eigenen
Vergnügen - und nicht, um sich zur Schau zu stellen - dort aufhalten. Dazu muß
man allerdings wissen, dass diese Abende niemals vor elf Uhr beginnen und dass
die Tänze - so es denn dazu kommt - nicht ohne zwei, drei geleerte Flaschen
denkbar sind, mithin nicht vor zwei oder drei Uhr morgens!