Heikle Punkte

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Heikle Punkte

Zwar treten die Griechen allen Ausländern mit derselben offenen Geisteshaltung
gegenüber, aber das heißt nicht, sie pflegten keine heimlichen Vorlieben. Franzosen
gegenüber werden sie ihre Sympathie zum Ausdruck bringen, von der Revolution
1789 sprechen, von Victor Hugo und Brigitte Bardot, von General de Gaulle und
den Zeugnissen der griechischen Antike im Pariser Louvre. Engländer gelten als
gute Touristen (vielleicht weil es nicht sonderlich viele sind), die Amerikaner
als exzentrisch und unkultiviert. Skandinaviern wird der Preis in Sachen Alkoholkonsum
zuerkannt, Deutschen für ihre Leistungen als Forschungsreisende. Und doch haben
die Griechen bestimmten Besuchern ihre oft verletzende Ungeniertheit vorzuwerfen.
Nicht einzusehen etwa, warum man beim Betreten von Klöstern und Kirchen nicht
ein Minimum an Diskretion, Achtung ... und textilen Anstands walten läßt? Nicht
anders als in Deutschland auch sind Shorts hier nicht zugelassen. In bestimmten
Klöstern hält der Bruder an der Pforte Besucherinnen unterschiedslos einen weiten
grauen Kittel hin - statt lange zwischen anständiger und unpassender Kleidung
zu sortieren.

Kein Gesetz verbietet es den Frauen, ihr Bikinioberteil im Hotelzimmer zu vergessen,
wenn sie an den Strand gehen. Griechen sind nicht puritanischer oder prüder
als andere, und der Tourismus hat sie immun werden lassen gegenüber Anblicken,
die sie früher einmal schockiert hätten. Aber wenn es nach ihnen geht, sollte
die nahtlose Bräune nicht unter Mißachtung des Feingefühls und der Ästhetik
erkauft werden. Stets zur Kritik aufgelegt, vergleichen sie gerne die Qualität
der weiblichen Rundungen badender Touristinnen mit ihrer Aphrodite von Milos!