Londoner Fauna
Londoner Fauna
Die englische Einstellung gegenüber Tieren hat Fremde stets verwundert und
bleibt unerklärlich. In London finden sich Altersheime für Esel und Friedhöfe
für Hunde und Katzen, so in Kensington Gardens; hier hält man den Verkehr auf,
um wandernde Kröten durchzulassen; Buchhändler verkaufen Biographien von Pferden
oder Hunden; ganze Fernsehserien sind der Fauna und den Tierärzten gewidmet.
Und da die Spötter nicht weit sind, wird eine Satire nach der anderen auf die
Nationalmanie der Pets (Haustiere) verfaßt.
Eine andere Variante dieser Zoophilie stellt das Teddy Bears´ Picnics dar,
das Gäste aus ganz England anlockt, aber auch aus anderen Ländern, allen voran
den Vereinigten Staaten. Alle Teilnehmer bringen einen Stoffbären mit und verzehren
ihr Picknick, bevor es an die Wahl des schönsten Teddybärs des Jahres geht -
mag er abgenutzt, abgeschabt oder einäugig sein usw. Um die Zuneigung der Engländer
zu Tieren zu verstehen, sollte man vielleicht bei ihrer Liebe für die Teddybären
ansetzen, wie dies übrigens einer der prominentesten englischen Psychoanalytiker
getan hat. Andere sehen darin eine Auswirkung der günstigen Umgebung: Parks,
Gärten, Heide und Commons (öffentliche Grünflächen, eigentlich die Allmende)
bieten einer Fülle von wilden Tieren Lebensraum, was selbst Experten immer wieder
überrascht. Nachtigallen sind in den Squares heimisch, Eulen und Turmfalken
in den Back Gardens, aber auch andere Vogelarten, die den Ornithologen teuer
sind. Außerdem gibt es Füchse, Waschbären und Hasen auf der Hampsteader Heide,
Hirsche im Richmond Park, Reiher und Kraniche in Barnes Common, Schafe auf den
Docklands, nicht zu vergessen die Hunderte von Pferden der Household Cavalry
und der Royal Horse Artillery. In den Marställen von Knightsbridge schaut gelegentlich
ein Pferdekopf aus dem ersten oder zweiten Stockwerk eines völlig konventionellen
Hochhauses philosophisch auf den Strassenverkehr hinunter.