Gemeinsamer Markt

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Gemeinsamer Markt auf Griechisch

»Griechenland ist ein armes Land«, so steht es in allen griechischen Schulbüchern
zu lesen und so leiern es die Schüler gebetsmühlenartig herunter, die späteren
Bürger, Abgeordneten, Minister und Staatmänner. Indem dieses Klischee beständig
weitergetragen wird, nährt es einen Mythos, der es allen erlaubt, einfache Antworten
auf unbequeme Fragen zu geben, die Griechen in ihre Mentalität als »arme Verwandte«
zu wiegen und eine Politik der Unterwerfung unter die Großmächte zu rechtfertigen.

Im Namen dieser »Armut« führte im Jahre 1961 die Regierung Caramanlis das Land
in die morastigen Gefilde der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Dieser Entscheidung
lagen zugleich auch politische Erwägungen zugrunde. Damals war man der Ansicht,
ein Beitritt Griechenlands zur EWG begünstige ein zunehmendes Abrücken des Landes
von der amerikanischen Einflußsphäre und stabilisiere die Demokratie. 1967 bewies
indes die proamerikanische Obristendiktatur, dass die letzte der beiden Hoffnungen
trügerisch war. Und heutzutage bewegen die Griechen angesichts des Flirts zwischen
EG und Türkei andere Sorgen.

Auch wirtschaftlich gesehen nehmen sich die Perspektiven des »europäischen«
Griechenland alles andere als rosig aus. Zwar steigen die Ausfuhren des Landes
in die EG stetig die Einfuhren verzeichnen jedoch ebenfalls beträchtliche Zuwachsraten
(über 48 %).

Die Griechen sind zu Recht beunruhigt. Dabei stecken unter ihren Füßen reiche
Bodenschätze: wenn auch keine Steinkohle, so nehmen sich die Braunkohlevorkommen
bedeutend aus, ebenso wie die BauxitLagerstätten, der Hauptgrundstoff für Aluminium,
die von einer französischen Gesellschaft abgebaut werden. Ganz zu schweigen
davon, dass der Kontinentalsockel des Ägäischen Meeres den Gutachten von Experten
zufolge, die dort Probebohrungen vornahmen reich an Öl und Butangas ist. Und
dann kann das Land auf eine verstärkte Nutzung seiner Solarenergie rechnen.
Derzeit bedienen sich bereits über eine Million griechischer Familien der Sonnenenergie
für häusliche Zwecke: die griechische Sonne hält nicht nur zum Bräunen her.

Der EGBeitritt des Landes alarmierte denn auch vornehmlich die Landwirte. Bei
dem Gedanken an das Datum 1992, also dem Wegfall aller Zollschranken, überkam
sie eine ungute Vorahnung: die Vermarktungstechniken für griechisches Obst und
Gemüse harren bis heute einer Modernisierung, und die Normierung der Erzeugnisse
stellt sie angesichts fehlender Infrastrukturen vor unüberwindliche Hindernisse.
Nicht zuletzt die Besitzverhältnisse an Grund und Boden werfen dunkle Schatten
auf ihre Zukunft: Kleinbetriebe von durchschnittlich fünf Hektar werden niemals
eine ernstzunehmende Konkurrenz für die ausgedehnten Erzeugerflächen in Westeuropa
darstellen. Erfinden läßt sich alles, nur eben kein neues Ackerland!

Die Industriellen dagegen werden um die Zukunft nicht bange sein, betreiben
sie ihre im übrigen nicht sonderlich zahlreichen Unternehmen doch bereits mit
ausländischem Kapital. Was aber soll aus den weiterverarbeitenden Werkstätten
(Maschinen, Leder, Holz) und dem Ernährungssektor werden, wo ein Drittel der
aktiven Bevölkerung ein Auskommen findet? Selbst die Zukunft des Fremdenverkehrs
darf in Frage gestellt werden, seinerseits ein höchst empfindlicher Bereich:
braun wird man auch in anderen Ländern und berappt weniger dafür. Verfügt die
Türkei nicht über billige Arbeitskräfte, und zieht dieser Nachbar nicht zunehmend
westeuropäische Urlauber an?